Herr Kli­e­mann, Sie arbeiten für die Scou­ting-Abtei­lung von Werder Bremen. Stimmt es, dass Sie sich vor einigen Jahren auch bei Hertha BSC als Scout beworben haben?

Ja, aber das ist schon eine Weile her… Ich hatte damals in der Sport-Bild gelesen, dass Hertha Bedarf im Scou­ting-Bereich habe. Mit Dieter Hoeneß habe ich mich auf seine Ein­la­dung hin beim ersten Spiel von Andy Thom getroffen, Hertha spielte gegen Wolfs­burg und gewann 1:0, Thom machte das Tor. Danach kam dann aber nichts mehr von Hoeneß.

Wissen Sie, warum sich Hoeneß nicht mehr mel­dete?

Lange später habe ich von einem alten Weg­ge­fährten gehört, dass dem dama­ligen Trainer Röber und Hoeneß eine Aus­sage von mir zu besagtem Spiel nicht beson­ders gut gefallen haben soll. Ich habe damals gesagt, ich hätte schon bes­sere Spiele gesehen. Das war viel­leicht ein Fehler.

Schaaf, Allofs, Votava, Wolter: Werder Bremen bindet enorm viele ver­diente ehe­ma­lige Spieler in die Ver­eins­struktur ein. Warum ist das bei Hertha – mit Aus­nahme von Michael Preetz – nicht der Fall?

Unter anderem wohl des­wegen, weil eine Zeit­lang bei Hertha tote Hose war. Die Spieler haben sich nach dem Abstieg aus der Bun­des­liga in alle Winde zer­streut. Hertha hat ja teil­weise sogar in der Ober­liga gespielt, Geld war keines da. Dann kam Dieter Hoeneß und mit ihm zunächst auch der Erfolg.

Wann begann Ihrer Ansicht nach die Tal­fahrt?

Es scheint so, als hätte der Grö­ßen­wahn ein­ge­setzt, als Hertha den AC Mai­land schlug und erfolg­reich in der Cham­pions League spielte. Man dachte damals, man könnte inner­halb von drei Jahren auf Augen­höhe mit Bayern Mün­chen sein. Statt­dessen wurden gra­vie­rende Fehl­ein­käufe getä­tigt, Alex Alves, Luizao, das war ja Geld­ver­bren­nung hoch drei!

Hätte das Hertha-Manage­ment die Spieler besser aus­wählen müssen?

Gegen solche Sachen ist kein Verein gefeit. Werder Bremen hat ja mit Carlos Alberto auch solch einen Ein­kauf getä­tigt. Aus Süd­ame­rika kann man sehr gute Leute wie Jor­g­inho oder Ze Roberto bekommen, aber eben auch Pfle­ge­fälle. (lacht) Davon hatte Hertha ein paar zu viel.

Hertha hat 6 Punkte aus 17 Spielen geholt. Glauben Sie noch an den Klas­sen­er­halt?

Fried­helm Funkel kann am wenigsten dafür, ich schätze ihn als ehr­li­chen, kor­rekten Arbeiter, der auch schon Erfolge gefeiert hat. Wenn man drei Mal in einem Spiel an den Pfosten schießt, kann das ja nicht die Schuld des Trai­ners sein. Wenn Hertha gut in die Rück­runde startet, aus den ersten drei Spielen viel­leicht sechs Punkte ein­fährt, ist noch etwas mög­lich. An einen Sprung auf Rang 15 denke ich gar nicht, aber viel­leicht schafft die Mann­schaft es in die Rele­ga­tion.

Was wäre, wenn Hertha trotz allem absteigt?

Mit dem Ausbau des Trai­nings­ge­ländes am Olym­pia­sta­dion mit Internat, Ama­teur­sta­dion und Kunst­ra­sen­plätzen hat Dieter Hoeneß etwas Tolles auf­ge­baut. Wenn Hertha absteigen sollte, wird es wohl sehr pro­ble­ma­tisch, das bei­zu­be­halten. Zu meiner Zeit in den Sieb­zi­gern durften wir nur mit Geneh­mi­gung aufs Mai­feld, das damals unter bri­ti­scher Ver­wal­tung war. Wenn die Queen Geburtstag hatte, sind die Briten schon vier Wochen vorher mit den Pan­zern aufs Feld gerollt und haben die Parade geübt. Wir mussten zum Trai­ning auf einen Sand­platz aus­wei­chen, wo es nicht mal einen Was­ser­an­schluss gab. Bei tro­ckenem Wetter ist man dort fast an Staub­lunge gestorben!

Wie konnte es zum Nie­der­gang der Hertha in so kurzer Zeit kommen?

Es ist im Grunde eine ähn­liche Geschichte wie bei uns damals, als wir 1980 abstiegen. Vor der Saison wurden wich­tige Leute ver­kauft. Ete Beer war weg, Hanne Weiner bereits in Mün­chen, unser Tor­wart Nor­bert Nigbur war zurück nach Schalke gegangen. Uns haben am Ende nur drei Tore zum Klas­sen­er­halt gefehlt, obwohl wir eine ganz gute Rück­runde gespielt hatten.

Gegen Ende der Saison kommt es vor allem auf gute Nerven an. Hat Hertha einen Vor­teil, weil Fried­helm Funkel schon oft gegen den Abstieg gespielt hat?

Funkel wird die Nerven schon behalten, aber was ist mit den Spie­lern? Es gibt zwar Drobny und Fried­rich, aber dann hört es auch schon auf. Hoff­nungs­träger wie Kacar spielen scheinbar unter der Erde! Man wird sehen, ob Kringe oder Kobi­a­sh­vili Erfah­rung ein­bringen können. Bei Gekas ist das Pro­blem, dass man offensiv spielen muss, um ihn zu füt­tern. Kon­tern kann er nicht. Unterm Strich bin ich aber nicht hoff­nungslos.

Sie erlebten von 1974 bis 1980 eine sehr erfolg­reiche Zeit mit der Hertha. Was machte den Verein damals aus?

Elf Freunde waren wir nicht. Das Ent­schei­dende war, dass es auf dem Platz keine Ani­mo­si­täten gab. Luggi Müller und ich waren privat sicher keine Freunde. Im Spiel war das egal. Ich spielte Vor­stopper, Luggi Libero. Wer an mir noch vorbei kam, kam sicher nicht an ihm vorbei. Ich kam aus Frank­furt nach Berlin und hatte, wie ich dachte, einen sehr guten Ver­trag. Dann bekam ich mit, dass Erwin Her­man­dung mehr ver­diente. Ich war aber nicht auf ihn sauer, son­dern habe zu mir selbst gesagt: Kli­e­mann, du Arsch­loch, du hast zu wenig ver­langt!

Ist die Men­ta­lität heute eine andere?

Heute ist jeder Spieler eine Ich-AG. Wenn ich heute mit einem 15-jäh­rigen Nach­wuchs­spieler spre­chen will, muss ich mich schon an seinen Manager wenden statt an seine Eltern! Wir hatten eine Stamm­kneipe, in der wir uns oft getroffen haben, und wir konnten ja auch noch durch die Stadt gehen, ohne immer erkannt zu werden. Wobei: Bei mir mit meinem Breitner-Mop auf dem Kopf und meiner Größe war der Erken­nungs­wert noch ver­hält­nis­mäßig hoch. (lacht)

Wissen Sie eigent­lich, dass Sie Rolf Töp­per­wien sein aller­erstes Field-Inter­view ver­saut haben?

Ist das so?

So hat er es uns erzählt. Nach einem Eigentor wollte er von Ihnen wissen, wie man sich fühlt, wenn man den ein­zigen Treffer des Tages ins eigene Tor geschossen hat. Sie ant­wor­teten: »Beschissen, wie denn sonst?« und ließen ihn stehen.

Das muss wohl in Kai­sers­lau­tern oder Nürn­berg gewesen sein damals, mir sind damals zwei Eigen­tore kurz hin­ter­ein­ander unter­laufen. Töp­per­wien und Gün­ther-Peter Ploog waren die ersten, die aggres­siver vor­gingen. Sofort nach dem Spiel, als man noch gepumpt hat wie ein Mai­käfer, hielten die einem das Ding unter die Nase und wollten einen schlauen Spruch hören. Manchmal hat man die des­halb natür­lich gehasst…

ncG1vNJzZmhpYZu%2FpsHNnZxnnJVkrrPAyKScpWeqqnq3tcSlnGaolqGyqLHFXnpsXXFpua2xjm5ua2tkZw%3D%3D